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von Sebastian Guggenhuber
Der Torf hat heutzutage als Energielieferant keine Bedeutung mehr. Für die letzten Reste an unberührter Natur ist das natürlich ein Segen. Die Löcher und Gräben, die im letzten und vorletzten Jahrhundert in unseren Mooren gegraben wurden sind wieder verwachsen, sehen kann man sie aber immer noch.
Der Torf, eigentlich eine Vorstufe von der Kohle, wird der Menschheit schon lange als Brennmaterial gedient haben. Wie lange in der Gemeinde Pittenhart schon Torf abgebaut wird, ist nicht bekannt. In den ausgedehnten Moorgebieten südlich von Brunn, Eschenau oder Hinzing wird das sicher schon lange der Fall gewesen sein. Besonders in der Hofmark Oberbrunn, wo bereits ab den 16. Jahrhundert der Alltag von einen Hofmarksherren geregelt wurde, wird der Torfabbau eine bestimmte Bedeutung gehabt haben. Die Ortschaft Oberbrunn, mit 24 Hausnummern um 1810, war die größte Ortschaft in der Gemeinde Pittenhart. Eines dieser Brunner Anwesen trugt den Hofnamen Moosgraber. Hier kann man schon einen Bezug zum Torfstechen erkennen. Das Torfstechen wird aber sicherlich in einen kleinen Rahmen getätigt worden sein, vermutlich auch wegen des schwierigen Zugangs. Moore hatten wohl auch immer etwas Mystisches an sich und wurden deshalb vielleicht auch gemieden!. Dass es im Brunner Moos zu einem, beinahe industriellen Torfabbau kam, liegt an der Trockenlegung des Eggstätter Weit- und Freimooses, wobei das Brunner Moos ja ein Teil dieses Moores ist.
Mitte des 19. Jahrhundert hat man systematisch begonnen das Weitmoos trockenzulegen. Der Hintergrund ist sicher die Gewinnung von landwirtschaftlicher Fläche gewesen. Der Torfabbau wird im aufkommenden Industriezeitalter unabdingbar gewesen sein. Der Brunner Hofmarksherr Karl von Belli de Pino hat die Zeichen der Zeit um 1850 auch erkannt und hat den Weiler Karlswerk gegründet – als Ziegelei und Dampfsäge. Der dort vorkommende Lehm wurde sicher mit dem Torf aus dem Weitmoos gebrannt. Die Hofmark Oberbrunn erfuhr eigentlich schon 1818, mit der Gründung der Gemeinde Pittenhart, einen Niedergang. Bis 1848 hatten die Hofmarksherren noch die niedere Gerichtsbarkeit, aber wie Kaufurkunden zeigen, verkauften sie bereits in der der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Grundstücke an die Brunner Bauern, eigentlich an ihre Untertanen. Nach wechselvollen weiteren hundert Jahren wurde Schloss Oberbrunn und die Ökonomie getrennt verkauft. Dabei wurden die Moorflächen in kleine Parzellen aufgeteilt und an Privatleute in den umliegenden Gemeinden verkauft. In den 1950er Jahren wurde dort eine Menge Torf gestochen, zu privaten Heizzwecken. Das billige Heizöl beendete diesen Raubbau aber schon in den 1960er Jahren. Der Grund warum es in Oberbrunn zu so einem umfangreichen Torfabbau kam, liegt an dem verlorenen 1. Weltkrieg. Reparationszahlungen an die Siegermächte wurden zum größten Teil im Materiallieferungen geleistet, hautsächlich Kohle. Die fehlende Kohle bereitete der heimischen Wirtschaft große Schwierigkeiten. Und Not macht erfinderisch.
Dass das Münchner Bier schuld an dem Umweltfrevel im Weitmoos war, ist fast nicht zu glauben, ist aber so. Den Münchner Brauereien bescherte die fehlende Kohle kalte Sudpfannen. Der Stellenwert des Bieres ist ja in Bayern bekanntlich besonders hoch. Der fehlende Gerstensaft hat in Bayern schon oft zu Unruhen unter der Bevölkerung geführt, und die hatte man in der Revolutionszeit nach dem 1. Weltkrieg ja schon zur Genüge. Einen „Bierkrieg“ konnte man da überhaupt nicht gebrauchen. Also wurde 1919 die Pittenharter Gemeindeführung kontaktiert. Das Münchner Hofbräuamt, Teil des Finanzamtes, ersuchte um den Bau einer Eisenbahntrasse vom Bahnhof in Pittenhart bis in das Eggstätter Weitmoos. Für die Pittenharter Gemeinde sollte das auch ein finanzieller Gewinn sein. Auf der Bahnstrecke Obing – Endorf konnte man den Torf dann weiter nach München transportieren und dort die Sudpfannen vom Hofbräuhaus mit dem Pittenharter und Eggstätter Torf befeuern. Den Geschmack des Bieres wird der Torf nicht beeinträchtigt haben. Das wäre auch in dieser schlechten Zeit egal gewesen sein. Hauptsache der Maßkrug war voll.
Der Bau einer Schienentrasse ist immer ein schwieriges Unterfangen, denn die Steigungen die eine Dampflok bewältigen kann, sind sehr gering. Der Antrieb der Torfbahn war natürlich eine Dampflok, die mit Torf befeuert wurde. Vermutlich wurde bereits 1919 mit dem Bau der Bahnlinie begonnen. Die heute noch gut erkennbare Trasse verläuft quer durch die südliche Gemeinde. Die Erdmassen, die damals bewegt wurden, waren immens. Einige wenige Bilder die erhalten blieben, lassen den Arbeitsaufwand erahnen. Vom Bahnhof in südöstlicher Richtung durch das Aindorfer Holz ist das Gelände relativ eben, aber bereits im Wald zwischen Hinzing und Pittenhart wurde ein zum Teil 1,5 Meter hoher Damm notwendig. Im Wald zwischen Pittenhart und Oberbrunn wechseln sich Dämme und Einschnitte ab. Westlich von Oberbrunn kann man noch heute die mögliche Steigung, die die Bahn bewältigen konnte, sehr gut erkennen. Hier wurde die Trasse quer in einen steilen Nordhang gegraben. Das Gelände westlich von Brunn war wieder relativ eben, aber um in das Moos zu gelangen, musste ein tiefer Einschnitt in einen Bergrücken gegraben werden. Nach diesem Einschnitt beginnt schon das Brunner Moos, vorbei am Moosgraber (heute Mooshiasl) führt die noch erkennbare Trasse bis zum Mooswirt an der Straße von Eggstätt nach Pavolding.
Die Zeit nach 1920 war für Brunn wohl eine Blütezeit. Eine Vielzahl von Arbeitsplätze entstanden, für Leute die aber auch Wohnraum brauchten. Westlich von Oberbrunn entstand dann eine kleine Barackensiedlung. Es gibt noch einige Familien in der Gemeinde, deren Vorfahren damals nach Pittenhart gekommen sind. Ob die Bahntrasse in einem Stück bis zum Mooswirt gebaut wurde, ist fraglich. Vermutlich wurde sie mit dem Torfabbau immer weiter verlegt. Offensichtlich wurde auch eine kleine Brücke notwendig um bis zum Mooswirt vorzukommen. Am Bahnhof in Pittenhart musste auch das Erdniveau verändert werden, denn man musste den Torf ja in die großen Waggons umladen. Vermutlich war dort auch eine Verladerampe. Neben der Straße zum Bahnhof wurde auch ein Verwaltungsgebäude gebaut. Ein Teil der Dämme sind heute verschwunden. Der Grund dürfte sein, man konnte das Material gut zum Straßenbau gebrauchen. Dass es sich bei der Bahntrasse nicht um eine reguläre Bahnstrecke handelte, kann man sich vorstellen. Die Spur war wesentlich schmäler und die Lok war im Vergleich zu den heutigen Lokomotiven eine Spielzeugbahn. Und von den Einheimischen wurde diese Bahn auch immer „Bockerlbahn“ genannt.
Konkurrieren konnte der Torf mit der Kohle allerdings nicht. Nach nicht einmal 10 Jahren war der Spuk vorbei. Die Kohle war in München wieder vorhanden und wahrscheinlich billiger als der Torf. Aber man gab sich scheinbar nicht kampflos geschlagen. Am Ortseingang von Oberbrunn wurde eine Umlade-Station gebaut, wo der Torf auf Lastwagen umgeladen und nach Trostberg verfrachtet wurde. Vermutlich war die dortige Industrie Abnehmer des Torfes. Um 1928 wurde die Bahn wieder aufgegeben. Sehr zum Leidwesen der Gemeinde Pittenhart, denn das Hofbräuamt hatte in Pittenhart eine Steuerschuld von 11664,99 Reichs Mark hinterlassen, die sich die Pittenharter dann auf dem Gerichtsweg holen mussten.
Am 1. März 1928 war eine Gemeinderatssitzung, bei der folgendes Protokoll verfasst wurde:
Gemeindeumlage Rückstand Hofbräu Torfwerk Weitmoos
Das Hofbräuamt München schuldet an Umlagen aus Grund- Haus- und Gewerbesteuer den Betrag von 11664,99 Reichs Mark.
Die Umlagen waren bereits in den Jahren 1926 und 1927 fällig.
Weil die am 3. Feb. 1928 dem Hofbräuamt München zugestellte Mahnung erfolglos war, wird zwangsweise Beitreibung veranlasst und das Ausstandsverzeichnis für vollstreckbar erklärt.
Prenner Bgm.
Mayer Pis Kirchstetter Dumpler Mittermaier Neubauer Linner Schartner Spiel
Übrig geblieben sind dann die Holzhäuser in Oberbrunn. Vermutlich waren sie kein besonders schöner Anblick. Der Schlossherr von Oberbrunn störte sich daran am allermeisten. Schließlich entschloss sich die Gemeinde 1932 in Pittenhart ein Gemeindehaus zu bauen, um die letzten Barackenbewohner dorthin umzusiedeln. Der Schlossherr von Brunn hat auch ein paar tausend Mark zum Bau beigesteuert, so sehr hat ihn der Anblick gestört. Eines dieser Holzhäuser hatte trotzdem noch überlebt. Ein Torfarbeiter hat ein Haus abgebaut und in Fremdling, direkt neben der verschwundenen Bahntrasse wiederaufgebaut. Man sieht hier welchen Wert das Holz hatte und auch die Wertschätzung. In den 1980er Jahren musste das Haus aber auch einen Neubau weichen. Welche wirtschaftlichen Folgen der Untergang des Torfabbaus hatte, sieht man am Wirt von Oberbrunn. Jakob Brandl hatte das Gasthaus 1907/8 gekauft, lange vor der Torfbahn. Als sich dann ein Ende der Torfbahn abzeichnete und ein entsprechender Umsatzrückgang, kaufte er das Gasthaus in Pittenhart und übersiedelte dorthin. Die Torfbahnleute haben ihm sicher eine Menge Geld gebracht, denn das Gasthaus in Oberbrunn musste er nicht verkaufen. Er hat das Gasthaus verpachtet und erst 1933 verkauft. Das Verwaltungsgebäude am Bahnhof wurde auch verkauft und zu einem Wohnhaus um genutzt.
Der Bahnverkehr von Obing nach Endorf wurde in den 1980er Jahren eingestellt, das Bahnhofsgebäude wurde abgebrochen und von der Umlade-Station ist auch nichts mehr zu sehen. Was bleibt, ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten, eine Bahntrasse mitten in unseren Wäldern!
Bild1:
Der Bahnhof von Pittenhart. Rechts das Bahnhofsgebäude, rechts daneben ist noch die Umladerampe zusehen, links davon das Verwaltungsbebäude der Torfbahn
Bild 2:
Das Verwaltungsbebäude der Torfbahn am Pittenharter Bahnhof
Bild 3:
Der Durchschnitt des Bergrückens südlich von Oberbrunn
Bild 4:
Torfstecher beim Gruppenfoto. Der Zweck, den die Dampfmaschine im Hintergrund hatte, ist unklar.
Das Foto zeigt eine Männerwelt, es waren aber auch Frauen beschäftigt.
Bild 5:
Die zünftigen Erdmechaniker von Pittenhart beim Bau der Trasse im Wald